Wiederauferstehung aus den Flammen

Als regionale Bäckereikette hat der Steffl Bäck mit einem radikalen Richtungswechsel auf den Verlust seiner Zentralbackstube in Oberhaus durch einen Großbrand reagiert und sich zum qualitätsvernarrten Handwerksbetrieb zurückentwickelt. Mit viel Holz und Glas ist der von Tausendsassa Johannes Prettenthaler und seinem Joiner-Team gestaltete Neubau architektonischer Ausdruck der Neubesinnung.
Steffl Bäck-Zentrale © Toni Muhr

Was auf Erden wie das schlimmste Unglück wirkt, entpuppt sich aus himmlischer Perspektive als wahrer Segen: So sagt es ein tröstliches Sprichwort der chassidischen Juden, das auf die Brandkatastrophe beim Steffl Bäck im Oktober 2019 im Nachhinein betrachtet allemal zutrifft. Zu diesem Zeitpunkt hatte Sebastian Knapp den erfolgreichen Ennstaler Mittelbetrieb zusammen mit seiner Partnerin Ramona Schrempf gerade erst von den Eltern übernommen. „Und dann habe ich im Urlaub in Amsterdam live zuschauen können, wie unsere Zentrale abgebrannt ist“, erinnert sich der junge Chef an den bislang einschneidendsten Moment seiner Unternehmerlaufbahn.
Bis die brandtechnischen Untersuchungen abgeschlossen waren und die Versicherung nach eingehender Überprüfung im Mai 2020 ankündigte, für den Schaden aufzukommen, hatte Knapp viel Zeit zum Nachdenken. Nicht nur über die Zukunft, sondern auch über die Prioritäten in seinem Unternehmerleben. Und kam dabei zum Schluss, dass er den Betrieb gerne fortsetzen würde – allerdings unter ganz anderen Vorzeichen.
Denn seine Eltern hatten viel Elan und Mittel in die Transformation des alteingesessenen Ortsbäckers in einen kleinen Industriebetrieb gesteckt und erst 2009 groß in den Ausbau der Produktion investiert: „Wir haben eine ausgesprochen blöde Größe gehabt“, resümiert Knapp, „und im Jahr drei Millionen Stück Gebäck produziert. Allein an eine der großen Supermarktketten des Landes haben wir eine Million Semmelteiglinge zum Aufbacken geliefert.“

Sebastian Knapp und Ramona Schrempf haben das Unternehmen auf goldenen
Handwerksboden zurückgeführt. © Steffl-Bäck Sebastian Knapp

Adieu, Hamsterrad

Bedingungen also, unter denen alles so maschinell, schnell und kostengünstig ablaufen musste, um sich im Preiskampf behaupten und die Gebote des Wachstumsdiktats erfüllen zu können: „Um 2000 herum hat in der Branche noch die Devise höher, schneller, weiter gegolten“, sagt Knapp, der bis zum Brand keine Möglichkeit sah, aus dem Hamsterrad auszusteigen, war die Großbackstube doch noch lange nicht refinanziert. Die 2020 ausbezahlte Brandversicherungssumme bot Knapp jedoch die Gelegenheit, sich der alten Verbindlichkeiten zu entledigen und neu anzufangen. „Um den Preis einer Neuverschuldung“, tritt Knapp dem landläufigen Irrglauben entgegen, die Versicherung habe für das Kapital zum Neubau gesorgt.
In einer Betriebsversammlung präsentiert er der Steffl-Bäck-Belegschaft seine Vision: radikale Qualitätsorientierung und die Rückkehr zur Handarbeit. „Die Zustimmung war so überwältigend, dass wir uns zum Neustart entschlossen haben“, ist Knapp noch heute stolz auf den kollektiven Mut in den Reihen des Unternehmens.
Im Juni 2020 setzten sich Knapp und Schrempf mit dem Gröbminger Planer und Bau-, Tischler- sowie Zimmermeister Johannes Prettenthaler zusammen, um ihn für den Großauftrag zu briefen: den Neubau der Zentralbackstube. Viel zu sagen gab es nicht, denn Prettenthaler hatte schon so lange gestalterisch und holz- bzw. möbelbautechnische Hand an die Steffl-Bäck-Filialen gelegt, dass eine persönliche Freundschaft entstanden war. „Ich habe immer schon von der gläsernen Backstube geträumt, in der uns die Menschen von draußen beim Arbeiten zuschauen können“, erzählt Sebastian Knapp, „und diese Backstube habe ich ihm ganz grob auf einem A4-Blatt aufskizziert.“

Die Steffl Bäck-Zentrale ist schnell zur beliebten neuen Landmark des Ennstals geworden. © Toni Muhr

Carte Blanche für den Gestalter

Neben der transparenten Produktionsstätte mit großzügigen Glasfronten war der Einsatz von möglichst viel Holz die einzige weitere Vorgabe: „Wir wollten von Anfang an einen Holzriegelbau und eine Fassade aus Holz, weil es viel mit unserer Arbeit zu tun hat: Auch Brot ist ein Naturprodukt und die Sauerteige, mit denen wir arbeiten, sind genauso lebendig wie Holz.“
Von diesen beiden Vorgaben abgesehen, bekam Prettenthaler eine architektonische Carte blanche. Die Gliederung der Räume war ihrerseits maßgeblich von den Produktionsabläufen und der Logistik einer größeren Bäckerei vorbestimmt, sodass sich der freie Gestaltungsspielraum des Universalisten vor allem auf die Gebäudehülle erstreckte. Den nutzte er, um eine veritable Landmark ins Ennstal zu setzen.
Das Holz dafür besorgte Prettenthaler bei Mareiner und bestellte Hunderte Quadratmeter Fichte und Lärche in den verschiedensten Varianten: Fichte und Lärche, Natur und gedämpft, gebürstet, gehackt, mit Bandsägeschnitt wie auch ganz unbehandelt. Außerdem orderten Prettenthaler und Knapp eine Charge Lärchenpaneele Marke Piz Nair, die sich visuell dank thermischer Behandlung in warmem Braun präsentieren.
Was nach der Planeinreichung und Bauverhandlung geschah, ist eines Eintrags im Guinness-Buch würdig: Im September 2020 luden Knapp und Schrempf zum Spatenstich und konnten dank der Effizienz und Einsatzfreude der Profis von Prettenthalers Unternehmen Joiner Bau bereits im Dezember, nur ein Vierteljahr später, in das neue Produktionsgebäude mit 1.200 m2 Gesamtfläche einziehen. „Alle unsere Lieferanten haben übereinstimmend gesagt, dass sie noch nie so ein Bauprojekt wie dieses erlebt haben“, streut Knapp seinem Baupartner Rosen.

Das Holz von Mareiner hilft auch in den Steffl-Bäck-Filialen den Designanspruch des Qualitätsbetriebs fortzuführen. © Toni Muhr
Wir wollten von Anfang an einen Holzriegelbau und eine Fassade aus Holz, weil es viel mit unserer Arbeit zu tun hat: Auch Brot ist ein Naturprodukt und die Sauerteige, mit denen wir arbeiten, sind genauso lebendig wie Holz.
Sebastian Knapp

Neue Land- und Trademark

Obwohl der Neubau eine unverkennbare zeitgenössische Designsprache spricht, war auch das Feedback aus dem Ennstal einhellig positiv. „Wir bekommen nur zu hören, wie gut es sich in die Landschaft einfügt“, freut sich Knapp über die Wirkung des Neubaus: „Damit ist in den Köpfen auch ein neues Bild vom Steffl Bäck entstanden, und wir bekommen wieder viel leichter Mitarbeiter, weil es einfach attraktiv ist, hier zu arbeiten.“
Die Freude an der Arbeit beim Steffl Bäck ist seit der Rückkehr zu langer Teigführung, Handarbeit und Premiumqualität – dank Knapps Leidenschaft für Kaffee auch bei den Koffeingetränken in den Filialen – überhaupt höher denn je zuvor. Auch die Kundschaft goutiert den Kurswechsel, der mit einer bewussten Verkleinerung und der Abkehr von einem einst angedachten Franchise-Konzept verbunden war: „Wir haben einige Filialen geschlossen, zum Beispiel die in Trofaiach, weil ich als nachhaltig denkender Mensch nicht mehr eingesehen habe, warum man so irre Lieferwege in Kauf nehmen und Backwaren 150 Kilometer durch die Gegend chauffieren muss.“
Das hat sich auch auf den Stand der Mitarbeiter/innen ausgewirkt, der von 120 auf 45 gesunken ist. Beim Steffl Bäck sieht man darin allerdings keine Schrumpfung, sondern einen Zuwachs an Qualität. Ganz im Sinne von „small is beautiful“.